Urteil zur Auslegung der Religionsfreiheit im staatlichen Schulwesen

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat mit Urteil vom 8. Juli 2025 (Az. 7 BV 21.336) hat entschieden, dass ein Kruzifix im Eingangsbereich eines staatlichen Gymnasiums die negative Glaubensfreiheit zweier Schülerinnen verletzt hat.

Im Urteil vom 8. Juli 2025 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Az. 7 BV 21.336) einen bedeutenden Beitrag zur Auslegung der Religionsfreiheit im staatlichen Schulwesen geleistet.
Zwei Schülerinnen eines staatlichen Gymnasiums hatten während ihrer Schulzeit die Entfernung eines auffällig positionierten Kruzifixes im Eingangsbereich der Schule beantragt – ein 150 cm hohes Holzkreuz mit einer figürlichen Darstellung des gekreuzigten Christus. Da sie diesem religiösen Symbol aufgrund ihrer Schulpflicht regelmäßig und unausweichlich begegneten, sahen sie darin eine Verletzung ihrer negativen Glaubensfreiheit.
Die Schule lehnte den Antrag ab, und auch das Verwaltungsgericht München wies die zunächst erhobene Klage zurück.

Erst der Verwaltungsgerichtshof erkannte einen verfassungsrechtlich relevanten Eingriff in die Religionsfreiheit der Schülerinnen.
Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellte das Gericht klar, dass die Konfrontation mit dem Kruzifix – insbesondere in seiner Größe, Gestaltung und exponierten Platzierung – die staatliche Neutralitätspflicht verletze. Da für Gymnasien keine gesetzliche Regelung für die Anbringung religiöser Symbole wie Kruzifixe besteht, könne sich die Schule auch nicht auf eine gesetzliche Legitimation berufen.

Anders beurteilte der BayVGH jedoch die Einführung eines Alternativunterrichts während der dreimal jährlich stattfindenden Schulgottesdienste. Schülerinnen und Schüler, die an den Gottesdiensten nicht teilnehmen wollten, waren verpflichtet, stattdessen ethisch-philosophischen Unterricht zu besuchen. Das Gericht sah darin keinen Versuch, indirekt zur Teilnahme an religiösen Veranstaltungen zu bewegen. Vielmehr sei diese Maßnahme ein angemessener Weg, um die Gleichbehandlung aller Schüler sicherzustellen. Ein Anspruch darauf, während der Gottesdienstzeiten vom Unterricht befreit zu werden, bestehe nicht.

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der staatlichen Neutralität gegenüber Religion im öffentlichen Raum, besonders an Schulen. Es zeigt, wie sensibel die Balance zwischen religiöser Ausdrucksfreiheit und der Wahrung individueller Glaubensfreiheit auch Jahrzehnte nach dem berühmten „Kruzifixbeschluss“ weiterhin rechtlich bewertet wird. Gegen die Entscheidung kann binnen eines Monats Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.

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